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Zerrbild eines Migrationsprofils von Guinea-Bissau – Review und Kommentar zu „Case Study Guinea-Bissau (West Africa)“ von Monika Lengauer

Vor einigen Wochen erreichte mich per Email der Hinweis auf das UNESCO Handbuch „Reporting on migrants and refugees: handbook for journalism educators“ (UNESCO, Paris, 2021) welches die „Case Study Guinea-Bissau (West-Africa)“ von Monika Lengauer enthält. Das Buch ist am Erich-Brost Institut für internationalen Journalismus an der TU Dortmund entstanden. Schön, dass es Guinea-Bissau als Fallbeispiel einmal in ein Buch mit vermutlich doch signifikanter Reichweite geschafft hat, war mein erster Gedanke. Auch war ich gespannt einmal eine Übersicht zum Thema Migration und Guinea-Bissau zu erhalten und vielleicht noch den ein oder anderen neuen Aspekt zum Thema mitnehmen zu können. Leider  sollten sich diese Erwartungen nicht erfüllen – das Kapitel enttäuscht auf ganzer Linie und vermittelt in weiten Teilen ein sehr stereotypes Zerrbild eines Migrationsprofils von Guinea-Bissau. Das ist eigentlich erstaunlich, da sich die Autorin regelmäßig im Land aufhält, das Kapitel zunächst einen gut recherchierten Eindruck macht, und auch sehr umfänglich über weiterführende Literatur informiert.

Titelseite des Kapitels: “Case Study Guinea-Bissau (West-Africa)” von Monika Lengauer, in Fengler, Susanne; Lengauer, Monika; Zappe, Anna-Carina (Hg.) (2021): Reporting on migrants and refugees: handbook for journalism educators. UNESCO. Paris (UNESCO Series on Journalism Education).

Meiner Kritik vorangestellt sei, dass mir klar ist, dass die Fallstudie Guinea-Bissau im UNESCO Handbuch lediglich ein einfach zu haltendes Fallbeispiel ist, keine Studie, die nun eine allzu umfassende Übersicht oder neue gar Forschungsergebnisse präsentieren würde. Das Anliegen des Buches ist die Sensibilisierung und Ausbildung von Journalisten, keine zu tiefgreifende Studie von Guinea-Bissau. Dennoch sollte eine Fallstudie, die ein Migrationsprofil des Landes beinhaltet, doch zumindest die verschiedenen Aspekte und Charakteristika, die das Land in Bezug auf Migration zu bieten hat, grob skizzieren.

Es ist ebenfalls nicht meine Intention Armut, Perspektivlosigkeit und die politisch prekäre Lage des Landes in irgendeiner Form schönreden zu wollen. Guinea-Bissau ist ein Land, dem die Leute tendenziell davonlaufen. Nur – ein jedes Land und auch Guinea-Bissau bietet so viel mehr Aspekte und so viel mehr Erklärungsansätze, wenn man die Armuts- und Entwicklungsperspektive verlässt und offen für die volle Bandbreite aller noch so widersprüchlichen Gegebenheiten ist.

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“The Vanished Dream” – Empfehlung & Review

„The Vanished Dream“ ist ein Film über die zerplatzen Träume und Ambitionen des nationalen Aufbaus und der wirtschaftlichen Entwicklung, die in Guinea-Bissau nach der Unabhängigkeit zunächst realistisch und greifbar schienen. Der Film versucht die wirtschaftlichen und sozialen Projekte, Träume und Ideen aus der Zeit des jungen Guinea-Bissau der 70er und 80er Jahre aus heutiger Perspektive zu reflektieren. Er tut dies mit einer Mischung aus Zeitzeugenberichten, die ihre Erfahrungen anhand von Filmsequenzen und Aufnahmen von Projekten von damals und heute reflektieren und dem Kommentar von Experten (Lars Rudebeck & Tom Young), die die Ereignisse im weiteren theoretisch-historischen Rahmen einordnen und einige Erklärungsansätze für das Scheitern aller Träume geben. Zu Wort kommen vor allem europäische Vordenker und Entwicklungshelfer bzw. Projektleiter der damaligen Zeit – es ist also ein Film hauptsächlich aus der Perspektive der ausländischen Helfer – wenngleich auch Stimmen aus Guinea-Bissau zu Wort kommen. Diese Perspektive ist zugleich die große Stärkte und die große Schwäche des Filmes – je nachdem welchen Anspruch man an einen solchen Film anlegt.

Das Projekt des Aufbaus einer Nation – einer alternativen Gesellschaft

Nach dem erfolgreichen Befreiungskrieg gegen die Portugiesen kamen Menschen ganz unterschiedlicher Nationalitäten im Rahmen von Hilfs- oder Assistenzprogrammen ihrer jeweiligen Regierungen nach Guinea-Bissau. Die von den Helfern und der internationalen Staatengemeinschaft gesteckten Ziele für Guinea-Bissau waren hoch – und geradezu romantisch. Nach dem Ende des Befreiungskrieges stand nichts anderes im Raume als neue Mensch – „O homen novo“. Man wollte einen neuen, selbstbewussten afrikanischen Nationalstaat aufbauen, der innerhalb von 20-30 Jahren das Wohlstandsniveau westeuropäischer Länder erreichen würde (Schweden war über Jahrzehnte sehr aktiv in Guinea-Bissau und lange Zeit der größte Geber aller westlichen Staaten in Guinea-Bissau). Es kamen Menschen, die helfen wollten. Menschen, die ein Projekt realisieren wollten – helfen, unterstützen, eine gesellschaftliche Alternative umsetzen wollten („something different – in a positive way“). Faszinierend für alle Teilnehmer schien zu sein, nun nach dem militärischen Kampf, am zivilen Aufbau eines Landes teilnehmen zu können.

Was schon nach wenigen Minuten auffällt – es sind die Wünsche, Gedanken, Theorien und vor allem Projektionen der (europäischen) Helfer, die nach der erlangten Unabhängigkeit ins Land kommen. Welche Ideen oder Wünsche eigentlich aus der Bevölkerung kamen – was sich diese wohl erhofft hatte – dies bleibt erstaunlich im Dunkeln. Als Referenz dient hier allenfalls Cabral als der große Vordenker des Landes.

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Maggi in Guinea-Bissau – über das Brühwürfelphänomen in Westafrika

Nachdem ich im Dezember 2009 hier mit den “Geschichten um den Brühwürfel” erste Ergebnisse meiner Forschungsarbeiten veröffentlicht habe, sind diese mittlerweile im Leipziger Universitätsverlag als Buch erschienen. Der Brühwürfel springt vermutlich jedem Westafrika-Reisenden ins Auge –  ich freue mich daher die Resultate nun einem größere Publikum präsentieren zu dürfen. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.

Maggi in Guinea-Bissau - über das Brühwürfelphänomen in WestafrikaDer Brühwürfel der Firma Maggi begleitet uns und die Entwicklungen der modernen Lebensmittelindustrie bereits seit über 100 Jahren. Er ist ein Produkt unter vielen anderen, die im Zuge der Globalisierung ihren Weg um die Welt gemacht haben. In Westafrika ist es der Brühwürfel, der es als selbstverständliche Zutat in die Kochtöpfe der Menschen geschafft hat. In Guinea-Bissau heißt er gusto, Geschmack.

Die vorliegende Ethnographie versucht, den Platz, den er in den Küchen Guinea-Bissaus eingenommen hat, zu skizzieren. Dabei führt der Weg von der Entstehungsgeschichte des Würfels in Europa und Südamerika zur heute in Guinea-Bissau genutzten Form. Dort ist er heftig umstritten: Die einen halten ihn für eine Ingredienz kulinarischer Dilettanten, die anderen fürchten, dass er die lokalen Esstraditionen verdrängt. Diejenigen, die ihn für einen nicht zu ersetzenden Bestandteil ihrer täglichen Mahlzeiten halten, fragen sich, wie man ein Essen ohne „Gusto“ zubereiten könne. Im Für und Wider um den Brühwürfel stellt sich dar, was von den Akteuren als eine gute Mahlzeit verstanden wird und was nicht. Im Konsum des Brühwürfels scheinen sich auch Wünsche, die über das Gebiet der Ernährung hinausgehen, auszudrücken.

“Maggi in Guinea-Bissau – über das Brühwürfelphänomen in Westafrika” – Leipziger Universitätsverlag, 2011, ISBN 978-3-86583-580-2 , Preis 20 Euro, Inhaltsverzeichnis

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Ich wünsche allen Lesern viel Spass bei der Lektüre dieser unterhaltsamen Ethnographie!

Bissau – Stadtentwicklung und Geschichte

Die heute weiterhin schnell wachsende Landeshauptsadt Bissau kann bereits auf eine mehrere Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken.  Zum absoluten administrativen und wirtschaftlichen Zentrum ist sie allerdings erst in den letzen Jahrzehnten aufgestiegen.

Ab 1446 erreichten portugiesische Seefahrer und Händler die obere Guineaküste und errichteten zahlreiche Handelsstützpunkte. Ein genaues Gründungsdatum der Stadt Bissau ist nicht bekannt, es kann aber davon ausgegangen werden, dass sich seit dem 16. Jahrhundert portugiesische/kapverdische Händler und Missionare in Bissau niederließen. Das erste schriftliche Zeugnis stammt wohl aus dem Jahre 1594, das sich zwar nicht auf den Ort, sondern auf eine ethnische Gruppe, die sich als „Bisãos“ (Pepel) bezeichneten, bezieht. Bissau war zu dieser Zeit ein unbedeutender Ort, der dem 1588 gegründeten Cacheu, dem Hauptort des von den kapverdischen Inseln aus verwalteten Distriktes Guinea, untergeordnet war. Es waren vor allem die Lançados (illegale portugiesische/kapverdische Händler)und Grumeten (wörtl. Port. Schiffsjunge; christianisierte Afrikaner) die sich in Bissau niederließen und erfolgreich das portugiesische Handelmonopol untergruben. Die Gründe der Ansiedlung waren ausschließlich ökonomischer Natur; es wurde mit Sklaven, Elfenbein und Bienenwachs gehandelt. Bissau lag praktisch in ständigem Kriegszustand mit der lokalen Pepel Bevölkerung (vgl. Kasper 1995, S. 70ff).

Blick auf eine Straße in Bissau "Velho" (2010)

Blick auf eine Straße in Bissau "Velho" (2010)

1692 wurde Bissau das Kapitänsstatut verliehen und damit auch offiziell mit Portugal verbunden. Ab 1696 wurde mit dem Bau eines Forts begonnen, welches man aber schon 1707 wieder zerstörte. Der Ort wurde von offizieller Seite verlassen. In der Folgezeit übernahmen französische Handelshäuser die Kontrolle über den Ort. Auch von den Franzosen wurde versucht ein Fort zu errichten, doch scheiterten alle Versuche. 1753 begannen schließlich die Portugiesen erneut mit dem Bau eines Forts. Endgültig beendet wurden die Arbeiten an diesem jedoch erst 1775, da die Arbeiten bereits nach kurzer Zeit nur noch schleppend vorangingen – aufgrund der schlechten Bedingungen starben allein in der letzten Phase des Baus mehr als 2600 Menschen. (Kasper 1995, S. 74f) 1776 bestand Bissau nur aus einem Fort, angrenzendem Friedhof, Hafen und Zollgebäude, sowie der Siedlung der Grumeten, die 1831 rund 5000 Bewohner zählte. Bis 1852 entwickelte sich direkt neben dem Fort eine kleine Kaufmannssiedlung, das heutige Bissau Velho, welche ab 1844 von einer Mauer geschützt wurde. Für 1853 wird die Bevölkerungszahl mit jeweils 500 freien Einwohnern und Sklaven innerhalb der Ummauerung angeben (vgl. Kasper 1995, S.77f).

Wirtschaftlich dominierte bis in die 1850er Jahre fast ausschließlich der Sklavenhandel, der mehr als 95% der Exporterlöse ausmachte. In der Bilanz deckten die Einnahmen jedoch nur etwa die Hälfte, der für die administrativen Aufgaben getätigten Ausgaben. Da die Portugiesen auch zu keinen größeren Investitionen bereit waren, war die Stimmung entsprechend schlecht. Die Mauern des Forts waren voller Löcher, das Dach der Kaserne eingestürzt, die Soldaten hausten mit ihren Frauen in selbst errichteten Baracken, es gab keinen Arzt und daher viele unversorgte Kranke und außerdem wurde auch kaum Lohn gezahlt. Bissau hatte in Portugal und auf den Kapverdischen Inseln einen sehr schlechten Ruf, so dass sich kaum Freiwillige fanden, die nach Bissau wollten, heißt es in einem Bericht von 1821 (vgl. Kasper 1995, S.78).

Bilder aus dieser Zeit finden sich in dem Buch “Postais Antigos da Guiné”. Dort werden teilweise sehr alte Postkarten aus allen Regionen des Landes präsentiert.  Auch im Internet finden sich zahlreiche Fotografien,  die hier leider nicht genutzt werden können, aus der Kolonialzeit des Landes.

Administrativ bestand der Distrikt Portugiesisch-Guinea bis 1834 aus zwei Kapitanaten, im selben Jahr wurde es zu einem Bezirk mit Bissau als Hauptort zusammengeschlossen, doch schon 1842 wurde diese Reform wieder rückgängig gemacht. 1852 wurde Bissau schließlich erneut zum Hauptort des Distriktes Guinea. 1879 wurde Portugiesisch-Guinea eine eigenständige Provinz; Bolama auf der gleichnamigen Insel wurde erste Hauptstadt.

Die Wirtschaft Guineas war mittlerweile auf landwirtschaftliche Produktion umgestellt worden (vor allem Erdnussanbau). Der Handel blieb jedoch mehrheitlich in der Hand von Franzosen, Engländern und auch Deutschen. Bissau befand sich auch Ende des 19. Jahrhunderts weithin in oftmals ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Pepel Bevölkerung. Noch in den 1890er Jahren beschränkte sich auch der militärische Aktionsradius auf wenige km außerhalb Bissaus. Daher blieb Bissau auch zu dieser Zeit räumlich eingegrenzt und wuchs kaum. Das heutige Stadtzentrum war noch größtenteils ein Waldgebiet. Erst nach der Schleifung der Befestigungsmauer 1913 und der endgültigen Niederschlagung des Widerstandes der lokalen Bevölkerung 1915 begann Bissau in größerem Maße zu wachsen (vgl. Kasper 1995, S. 80ff).

Blick auf ein peripheres Stadtviertel in Bissau

Das Dorf der Grumeten wurde nun abgerissen und außerhalb des heutigen Zentrums wieder errichtet. Nach demAusarbeiten eines Urbanisierungsplanes begann man öffentliche Gebäude und Anlagen zu errichten. Den Handel dominierte nun wieder französische Handelshäuser, nachdem im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Deutschen den Ort dominiert hatten. Den Portugiesen gelang es erst in den 30er Jahren das Handelsmonopol durchzusetzen, was jedoch negative Folgen für das Wirtschaftswachstum hatte. 1925 hatte Bissau rund 300 europäische Einwohner. Im Zuge verstärkter Migration auch anderer ethnischer Gruppen nach Bissau, kam es in Bissau auch zu gewalttätigen ethnischen Auseinandersetzungen (vgl. Kasper 1995, S. 95ff).

Am 9.12.1941 wurde die Hauptstadt von Bolama nach Bissau, welches schon lange die Wirtschaft dominierte verlegt. Die Stadt wurde auch schon in den 40er Jahren als stehengeblieben und rückständig beschrieben – eine Beschreibung, die man auch heute noch zu hören bekommt. 1950 hatte Bissau 18132 Einwohner, von denen 14520 so genannte „Nicht-Zivilisierte“ und 3792 „Zivilisierte“ waren. 1953 wurde die erste Straße in Bissau asphaltiert; in der Folge kam es zum Ausbau des heutigen Straßennetzes. Seit den 40er Jahren wurden immer wieder Urbanisationspläne ausgearbeitet, von denen aber keiner vollständig ausgeführt wurde. Anfang der 60er Jahre hatte Bissau rund 25.000 Einwohner – die Zahl stieg aber aufgrund des ab 1963 ausgetragenen Befreiungskrieges der PAIGC stark an und erreichte 1970 fast die Zahl von 70.000. Da Portugal mit seiner Kolonialpolitik zunehmend in Kritik geriet, kam es in der 60er Jahren noch einmal zu einer Modernisierung der Stadt. Die europäischen Wohnviertel expandierten weiter und drängten die afrikanischen Wohnviertel weiter zurück (vgl. Kasper 1995, S. 105ff).

Blick in die Avenida Domingos Ramos in Bissau (2010)

Auch nach der Unabhängigkeit 1973/74 wuchs die Stadt weiter stark. Flüchtlinge vom Land und aus dem Ausland ließen sich vermehrt in Bissau nieder. Die verfehlte Entwicklungspolitik der PAIGC, die eine Industrialisierung in den 70er Jahren anstrebte, trug zum weiteren Wachstum bei. In Bissau konzentrierte sich fast der gesamte Handel, die gesamt Verwaltung, während das Landesinnere völlig vernachlässigt wurde. Auch die internationale Hilfe konzentrierte sich stark auf Bissau. Die Stadt wuchs und wächst bis heute in Richtung der Ausfallstraßen der Stadt. 1990 hatte die Stadt bereits geschätzte 200.000 Einwohner.

Während des Bürgerkrieges von 1998/99 kam es zu starken Zerstörungen in der Stadt. Die Kämpfe konzentrierten sich auf Bissau. Die Front verlief ausgerechnet in der Industriezone der Stadt – so wurde die schon schwache Infrastruktur ganz zerstört. Auch heute ist Bissau administratives, politisches und wirtschaftliches Zentrum des Landes. Die Infrastruktur ist schwach entwickelt. Eine öffentliche Strom- und Wasserversorgung ist auf das ehemalige europäische Zentrum beschränkt und auch dort nur eingeschränkt funktionierend. So bleibt Bissau eine der letzten Hauptstädte weltweit, die nachts weiter im Dunkeln liegt.

B. hat heute schätzungsweise 400 000 Einwohner (laut dem letzten offiziellen Zensus 2009 waren es 384 000, in den Jahren davor wurde die Bevölkerung in verschiedenen anderen Quellen auf bereits deutlich über 400 000 geschätzt).

Weiterführende Literatur:

Kasper, Josef Ernst. Bissau – Existenzsichernde Strategien in einer westafrikanischen Stadt. Peter Lang. Bern. 1995

© bolama.net

Guinea-Bissau – Ereignisse in Folge des 1. April

Der erste April 2010 in Guinea-Bissau hatte es auch hierzulande in die großen Zeitungen geschafft. Doch ebenso wie nach der Ermordung von Präsident Viera und Armeechef Tagme na Wai im März 2009 ist danach kaum mehr etwas zu hören gewesen. Deshalb soll hier einmal kurz der Fortgang der Dinge geschildert werden.

Wie auch hier in etliche Zeitungen zu lesen war, wurde am 01.04.2010 der Armeechef Zamora Induta durch den bisherigen Vizearmeechef Antonio Indjai abgesetzt. Der Premierminister wurde ebenfalls für einige Stunden unter Hausarrest gestellt. Nachdem die Bevölkerung auf die Straße ging um seine Freilassung zu fordern, drohte Antonio Indjai mit seiner Ermordung, falls die Leute nicht nach Hause gehen würden. Ebenfalls verließ der ehemalige Chef der Marine José Américo Bubo Na Tchuto seinen Zufluchtsort, das Quartier der Friedensmission der Vereinten Nationen (UNOGBIS) in Bissau. Zamora Induta wurde in ein Militärgefängnis in Mansoa gebracht, wo er bis heute, trotz einiger Appelle ihn freizulassen, einsitzt.

Am 8.4 wurden Jose Americo Bubo Na Tchuto und Luftwaffenchef Ibraima Papa Camara offiziell von der Exportkontrollbehörde des US-Finanzministeriums (Treasury’s Office of Foreign Assets Control, OFAC) beschuldigt in den internationalen Drogenhandel verstrickt zu sein. Alle Konten und Vermögen in den USA wurden gesperrt.

Bubo Na Tchuto und Antonio Indjai werden als die eigentliche neuen Machthaber in Guinea-Bissau bezeichnet, die neben der eigentlichen Regierung aus Präsident Malam Bacai Sanha und Premierminister Carlos Gomes Junior eine „Schattenregierung“ bilden.

Am 25.5 gab die EU bekannt, die Mission zur Reform des Sicherheitssektors (EU SSR) auslaufen zu lassen. Die Mission läuft personell abgebaut bis 30. September um die weitere Entwicklung im Land zu beobachten.

Premierminister Carlos Gomes jr. befand sich vom Mitte April bis Anfang Juni wegen medizinischer Behandlungen unter anderem in Kuba und Portugal. Im Mai gab es immer wieder Gerüchte er würde das Amt des Ministerpräsidenten aufgeben, letztlich kehrte er aber doch als Ministerpräsident nach Bissau zurück.

Auch um das Amt des zukünftigen Armeechefs gab es lange Spekulationen. Europäische Union und die CPLP forderten, dass der ein neuer Armeechef nicht in die Ereignisse vom 1.4 verwickelt gewesen sein dürfe. Dennoch wurde am 25.6 Antonio Indjai, der Anführer der Revolte vom 1.4 offiziell per Dekret des Präsidenten zum neuen Chef der Armee ernannt.

Am 2.8 gab die EU bekannt ihre Mission zur Reform des Sicherheitssektors (EU SSR) endgültig zum 30.09.2010 zu beenden.

Ebenfalls am 2.8 wurde bekannt gegeben, dass Guinea-Bissau der Entsendung einer internationalen Truppe zur Stabilisierung und Sicherung des Friedens im Land zustimmt. Die genauen Modalitäten müssten allerdings noch geklärt werden.

Soweit im Groben der Stand bis heute.