Archiv für den Monat: Januar 2010

Villen, Pools und Hummer – zwischen Diplomaten, Drogenbossen und Kooperanten – das andere Bissau

[Dies ist ein archivierter Beitrag aus dem Jahr 2010 – Der Beitrag ist ggf. analytisch und sprachlich in Teilen mitunter als mangelhaft einzustufen – Er spiegelt meine damalige Sicht auf Ereignisse, Erfahrungen und Zusammenhänge wieder – Eine Bewertung sollte daher in diesem Kontext erfolgen]

Jedem, der nach Bissau kommt, wird der insgesamt marode Zustand der gesamten städtischen Infrastruktur auffallen – es ergibt sich ein tropisch, karibisch, marodes Flair, welches besonders in der Innenstadt doch stark an Portugal erinnert. In den „Bairros“ reihen sich mit Wellblech bedeckten Häuser und Hütten aneinander, Straßen und sonstige Infrastruktur gibt es meist keine. Dem ausländischen, europäischen Betrachter wird die pure Armut ins Auge stechen. Obwohl Bissau offiziell als eines der ärmsten Länder der Welt registriert ist, existieren dicht gedrängte Elendsviertel (noch) nicht wirklich. Die allermeisten Häuser verfügen über Grundstück und kleinen Garten. Auch in der Stadt wird Landwirtschaft auf diversen „Bolanhas“ – Nassreisfeldern betrieben. Es herrscht noch keine so große Platznot wie in anderen Ländern.

Daneben existiert auch noch das Bissau der reicheren Leute, der Entwicklungshelfer, Diplomaten, Funktionären und Drogenhändlern. Etwas Abseits der Hauptverkehrsstraßen haben sich schon ein paar kleinere Villenviertel gebildet. Für europäische Verhältnisse ist die Infrastruktur immer noch unzureichend, aber für hier ist es doch eine andere Welt.

Im sogenannten „Bairro dos Ministros“, einem Viertel in dem die Regierung für Minister Wohnraum geschaffen hat, existieren einige kleine Villen, etwas abseits der wenigen Verkehrsmarginalen gelegen weht auf dem Hügel meist eine angenehme Brise und man hat Ausnahmsweise einen Blick auf das nahe Meer. Die meisten dieser in den 90er Jahren gebauten Häuser stehen jedoch leer, da die Minister nach ihrer Regierungszeit wieder ausziehen müssten und die gesamte Einrichtung dort bleiben würde – so ziehen es die meisten vor gleich in den eigenen vier Wänden zu bleiben und dort den Reichtum zu akkumulieren um ihn auch über die Amtzeit hinaus zu sichern, wie mir mein Begleiter erklärt.

Im Vierte stehen diverse Villen im Rohbau – das Geld dafür stammt seit einigen Jahren aus dem florierenden Handel mit Kokain. Guinea-Bissau ist zum größten Umschlagplatz für Kokain in Westafrika geworden. Noch meist nur als Transitland, aber es scheint nur eine Frage der Zeit bis sich das ändert. Dem ganzen begegnet man mit großer Offenheit. Man konnte mir genau sagen welcher Hausbesitzer welchen Geschäften nachgeht. So heißt es dann auch allgemein: Gehst du nach Portugal arbeitest du auf dem Bau, gehst du nach Spanien verkaufst du Koks. So sprießen auch auffällig viele Villen aus dem Boden ohne dass es sonst in irgendeiner Hinsicht wirtschaftlich bergauf ginge…

Auch am Stadtrand von Bissau entsteht das ein oder andere Viertel in dem sich die reichere Bevölkerung nieder lässt und auch im Stadtzentrum tut sich die ein oder andere Strasse auf, in der plötzlich eine gepflegte Bebauung mit Gärten und hoher Mauer hervortritt.

In den „Bairros“ erscheint neben den Wellblechhütten auch immer mal ein gepflegtes Haus mit Garten und obligatorisch meist auch mit Mauer und einbetonierten Scherben zur Einbrecherabwehr. In dieser Hinsicht ist Bissau ein heißes Pflaster, aber dennoch im Vergleich zu anderen afrikanischen Metropolen harmlos.

In den vergangenen 35 Jahren seit der Unabhängigkeit sind wohl tausende ausländische Kooperanten nach Bissau gekommen. Alle um die Entwicklung des Landes im europäischen Sinne voranzutreiben – und alle sind gnadenlos gescheitert. Es existiert kaum ein Projekt, dass je erfolgreich gearbeitet hat. Dies ist auch bis heute der überwiegende Tenor der Armada der Entwicklungshelfer und Experten – die Arbeit ist für die meisten frustrierend. Das hindert die zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus den Industrieländern und anderen Akteure wie Weltbank oder Europäische Union jedoch nicht daran immer neue Projekte aufzuziehen und weitere Kooperanten zu schicken. Für diese hat sich ein luktrativer Immoblienmarkt entwickelt. Selbst für ein kleines Apartment, ein Zimmer mit Bad, mit Strom und Wasserversorgung sind meist mindestens 600 Euro zu berappen. Für Häuser und größere Wohnungen sind oft 1000 Euro und mehr zu zahlen – für einen Standard der immer noch deutlich unter dem in Europa liegt. Aber da kaum jemand die Miete wirklich aus eigener Tasche zahlen musste, das Geld aus den Organisationen kommt, spielt es auch keine Rolle. So haben sich aberwitzige Mietpreise etabliert. Dennoch herrschen grosse Unterschiede, einige Organisationen schicken ihre Mitarbeiter für eher symbolische Gehälter, andere Träger zahlen hohe Spesen. Wieder andere Weiße, die in Bissau leben, leisten sich dies eher als Luxus aus der Pensionskasse. Und ein paar arme Studenten, wie mich, die eher zu Fuss von Dorf zu Dorf ziehen, gibt es auch noch. Insgesamt hat die Stadt so ihre ganz eigene Logik hervorgebracht.

Auf der Anderen Seite kann man auch schon für 80-100 Euro ein ganzes Haus mieten und in etwas Eigenarbeit auf einen vernünftigen Standard bringen und viel Geld sparen.

Auch die heimgekehrten Migranten können sich oft ein schickeres Haus leisten.

Das SITEC – gebaut von Migranten, die in Deutschland studierten. Sitz der deutschen und amerikanischen Vertretungen. Außerdem Bürokomplex und Internetcafé.

Der Hummer, bis März letzten Jahres das vorzeigauto in Guinea-Bissau. Der im März 2009 ermordete Präsident, einige Minister und potenzielle im Drogenbusiness Aktive führten den Wagen gerne vor. Seit der Ermordung des Präsidenten sind alle aus dem Strassenbild verschwunden – wahrscheinlich will niemand dieses Schicksal teilen. Das obwohl der Präsident zu Hause von Soldaten erschossen wurde, keineswegs im Auto.

Eine Reise zum Geburtsort des guineischen Staates – Madina de Boé

[Dies ist ein archivierter Beitrag aus dem Jahr 2010 – Der Beitrag ist ggf. analytisch und sprachlich in Teilen mitunter als mangelhaft einzustufen – Er spiegelt meine damalige Sicht auf Ereignisse, Erfahrungen und Zusammenhänge wieder – Eine Bewertung sollte daher in diesem Kontext erfolgen]

Madina de Boé ist ein kleiner Ort im äußersten Südosten von Guinea-Bissau. Es ist, neben dem Bijagos Archipel und dem Süden des Landes, die abgelegenste Region des Landes. Um dorthin zu gelangen gibt es weder eine geteerte Strasse noch eine einigermaßen passable Piste, weshalb es auch so gut wie keinen öffentlichen Transport in der gesamten Region gibt. Nur alle paar Tage startet mal LKW in diese Richtung – immer Mittwochs ist Markttag in Guiledje, 10 Km von Madina de Boé entfernt, dann starten LKW’s aus Gabú, Quebo und Guinea-Conakry um Güter aller Art zu verkaufen.

Von Bissau geht es frühmorgens vom zentralen Omnibusbahnhof – „Paragem“ – mit einem alten, aber verhältnismäßig komfortablen Reisebus in die Hauptstadt der Region L’Este – Gabú – benannt nach dem gleichnamigen früheren Königreich Gabú – rund 200 Km von Bissau entfernt.

Zentraler Omnisbusbahnhof in Bissasu – hier starten Reisebusse, „Sete Place“ (der Peugeot 505, als Siebensitzer) und „Trans Misto“ Kleinbusse à la Sprinter, meist mit 16-25 Personen

Bereits wenige Kilometer von Bissau entfernt passiert man die erste Militärkontrolle in Safim, der Bus stoppt, der freundliche Soldat mit der Bazooka fordert alle Passagiere zum aussteigen auf, und zwar schnell, Stichprobenartig werden die Papiere kontrolliert, bei fliegenden Händlern kann man sich mit Bananen, Erdnüssen, Saft, Eis und Ähnlichem versorgen. Dann geht es weiter, nach rund 60 km, dann die nächste Militärsperre – Jugudul -, wieder alle raus, Taschenkontrolle, kurze Pause dann geht’s wieder weiter, bis nach zum Abzweig nach Bambadinca, dort dann der nächste Stop, diesmal kein Militär sondern Kartoffeln kaufen – in der Region gibt es die besten und billigsten…Wir passieren Bafatá, die zweitgrößte Stadt Guinea-Bissaus und Hauptstadt der gleichnamigen Region. Vorher noch mal eine kurze Polizeikontrolle, an der Fahrer das übliche Trinkgeld zahlen muss. Nach 3-4 Stunden auf guter Strasse erreichen wir Gabú, das kommerzielle Zentrum im Osten, Drehscheibe des Handels mit dem Senegal und der Republik Guinea (Conakry).

Der Bus fuhr irgendwann mal in Deutschland, als er zu alt war kam er nach Portugal, als er auch dort ausrangiert wurde, wurde er nach Guinea-Bissau verfrachtet – das Schild „Während der Fahrt nicht mit dem Wagenführer sprechen“ erinnert an die deutsche Zeite…

Das Beste Hotel der Provinzhauptstadt Gabú – Pool, Restaurant, Wlan, Klimaanlage, alles da was man sich wünscht

Der zentrale Markt in Gabú an der Hauptstrasse – es gibt auch noch einen anderen mit Markthalle und neuen Gebäuder etwas ausserhalb des Zentrums, gebaut und finanziert von irgendweiner europäischen NGO – nur sind die Standgebühren dort teuer, ausserdem hat die Bevölkerung kein Geld um extra dorthin zu fahren – so sind die neuen Gebäude verlassen und das Leben spielt sich weiterhin im Zentrum ab…

Einen Weitertransport nach Madina de Boé gibt es heute nicht mehr, nur die Möglichkeit für rund 50 Euro pro Person – ein total überteuerter Preis – mit dem Motorrad weiterzukommen. Wir warten lieber einen Tag… Am nächsten Tag steht ein LKW bereit der bis ins ca. 40 Km entfernte TchéTche fährt. Danach wird es auch heute keinen Transport nach Boé geben, aber es gibt wieder die Möglichkeit mit dem Motorrad weiterzukommen.

Sitz des Governeurs in Gabú – leider ausgebrannt – dieses Jahr wird allerdings schon wieder renoviert…

Bis nach Tchétché gibt es eine unbefestigte Sandpiste, in der Trockenzeit von November bis Mai einigermaßen befahrbar, in der Regenzeit dann unter größeren Schwierigkeiten. Wir brauchen für die 40 Km rund zwei Stunden. Der LKW stoppt nördlich des Rio Corubal über den wir dann mit einem kleinen Boot übersetzen. In Tchetche werden uns wiederum Motorräder mit Fahrer zu hohen Preisen geboten, da sie das Monopol haben willigen wir ein. Es geht nach Madina Boé – noch fehlen 22 km

Da die Grenze zu Guinea-Conakry nicht mehr weit ist kontrolliert das Militär hier bereits zum ersten Mal. Kurz das Anliegen des Besuches freundlich vorgetragen, sich vorgestellt und Geld für drei Zigaretten gegeben, dann kann es losgehen…

Am Übergang des Rio Corubal in Tchetche

Bereits kurz nach Tchetche verändert sich die Landschaft deutlich – es wirkt alles trockener, es gibt nur noch vereinzelte Caju-Plantagen, die sonst das ganze Land bedecken und vor allem wird das Gelände steiniger und etwas hügelig. Tagsüber ist es hier deutlich heißer als in Bissau, nachts umso kälter. Die Region leben fast ausschließlich Fula – auch hat sich das Kreol hier noch nicht vollständig als Alltagssprache durchgesetzt. In Beli, der Provinzhauptstadt, gab es bis vor kurzem ein deutsches Entwicklungshilfeprojekt des Weltfriedensdienstes, so ist man als Deutscher gleich relativ willkommen.

Die Region ist abwelchslungsreich – Steinige Phasen wechseln mit Wald – hier lagern auch riesige Bauxit Vorkommen, die in den nächsten 55 Jahren abgebaut werden sollen. 2010 sollen hier über 300 Mio Dollar investiert werden. Vielleicht ist es das letzte Jahr in der Abgeschiedenheit, bis die Strasse kommt kann es nicht mehr allzu lange dauern…

Madina de Boé – im Jahr 1973 wurde hier von der PAIGC (Partido Africano para a Independencia da Guiné e Cabo Verde) einseitig die Unabhängigkeit von Portugal proklamiert. Heute ist es ein nahezu verlassenes abgelegenes Dorf. Zu Zeiten der Portugiesen gab es hier drei Händler, eine Elektrizitätszentrale, ein Krankenhaus und eine Militärbasis. Rund um den Ort sind die Spuren des 11jährigen Befreiungskrieges zu besichtigen. Man erkennt noch deutlich Gräben und Unterkünfte der Militärs. Um das gesamte Dorf wurden Verteidigungsgräben gezogen und nachts wurde die gesamte Gegend beleuchtet um eventuelle Feinde schon von weitem zu erkennen. Der kleine Ort schrieb große Geschichte.

Heute ist davon nicht mehr viel übrig, ein paar Ruinen vom Elektrizitätswerk, dem Krankenhaus und der Schule. Einzig die 1945 installierte Quelle „Fonte da Colina de Boé“ funktioniert bis heute.

Hauptstrasse Madina de Boé – weil viele Kühe gehalten werden, hat jedes Haus einen Zaun mit Pforte um den Garten herum – fast wie in Deutschland, man fühlt sich gleich wie zu Hause

Nach einer Nacht im relativ komfortablen Haus des Reguló machen wir uns wieder auf den Rückweg nach Bissau. Bei den Fulas und auch bei den anderen Ethnien Guinea-Bissau gibt es häufig das traditionelle System des Reguló. Er ist so etwas wie das Oberhaupt des Dorfes und wird unter anderem zur Schlichtung von Konflikten zu Rate gezogen und genießt außerdem großen Respekt. Daneben gibt es dann noch den „Chefe da Tabanka“ sozusagen das staatliche Gegenstück zum Reguló.

Wenn man als Fremder ins Dorf kommt sollte man sich zuerst beim Reguló und „Chef da Tabanka“ vorstellen und sein Anliegen vortragen. Normalerweise wird einem dann eine Unterkunft zugeteilt und man wird zum Essen eingeladen. Zuständigkeiten und Kompetenzen überschneiden sich teilweise – so existieren beide Systeme nebeneinander. Die Uni Bayreuth erforscht diese Koexistenz verschiedener Rechtssysteme in Zusammenarbeit mit dem INEP in Bissau. Das neue Haus hatte der Reguló als Geschenk vom Präsidentschaftskandidaten bei den diesjährigen Wahlen bekommen…

Es gibt noch eine reiche Tierwelt – Schimpansen und andere Affenarten, Büffel und sogar ein paar Löwen gibt es wohl hier  – in Tchetche gibt es ein kleines Hotel, doch bisher noch keine Gäste. In Zukunft soll ein Nationalpark gegründet werden, als Gegenstück zur Bauxit Exploration, die von einem angolischen Konsortium durchgeführt werden soll. – Montanha Amilcar Cabral – dort fand der erste Kongress der PAIGC statt

Mein Reiseverlauf: von Bissau nach Gabu, nach Tchetche und dann nach Madina…

Auf dem Rückweg gibt es die gleichen Hürden und Schwierigkeiten wie auf dem Hinweg – doch diesmal kommen wir noch am selben Tage wieder in Bissau an.